Es gibt Gegenstände, die verschwinden einfach, gehen kaputt, geraten aus der Mode oder verlieren mit der Zeit ihre Bedeutung. Oft geschieht das leise. Man räumt sie weg, verschenkt sie oder vergisst sie ganz. Manchmal merkt man es nicht einmal, dass etwas fehlt. Doch mache Dinge bleiben ohne dass man sie bewusst bewahrt sind sie im Regal, in einer Kiste oder in einer Schublade verstaut.
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Kleine Holzfiguren mit großer Geschichte
In vielen Kinderzimmern liegt irgendwo eine kleine Figur aus Holz. Vielleicht ein Hase, ein kleiner Mensch mit Mütze oder eine Kuh mit schiefer Bemalung. Meist hat sie Macken, eine abgeschliffene Kante, verblasste Farben oder einen Sprung im Holz. Doch statt ihren Wert zu verlieren, scheinen diese Spuren ihr mehr Charakter zu verleihen. Sie ist nicht weniger geworden. Im Gegenteil: Sie erzählt mehr, als ein neues Spielzeug es je könnte.
Solche Dinge sind selten geworden. In einer Welt, in der Spielzeug oft blinkt, piept, spricht und möglichst viele Funktionen in sich vereinen soll, wirken diese schlichten Figuren fast aus der Zeit gefallen.
Tradition und Vertrauen über Generationen
Oft sind es genau diese Figuren, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Nicht, weil sie besonders teuer waren oder selten, sondern weil sie etwas mitbringen, das sich nicht erklären lässt, eine Art stilles Vertrauen. Tiere wie von Ostheimer Figuren, Holztiger und Co. sind ein Beispiel dafür. Nicht, weil sie außergewöhnliche Funktionen haben, sondern weil sie weitergereicht werden und Bedeutung haben.
Manchmal entdeckt man sie zufällig wieder, zwischen anderen Dingen, diese kleine Figur, die man vielleicht selbst einmal in der Hand hielt. Beim Ausmisten eines alten Koffers oder auf dem Dachboden der Großeltern. Ein Reh mit sanftem Blick, ein Hirte mit Stock oder ein Löwe mit abgescheuertem Rücken. Und für einen Moment hält man inne, weil dieser Gegenstand nicht nur etwas darstellt, sondern etwas in uns auslöst.
Denn wer so eine Figur in die Hand nimmt, spürt sofort, dass sie mehr ist als nur Spielzeug. Sie spricht nicht, aber sie erzählt. Vielleicht von einem Kind, das sie vor Jahren zum Schlafen mit ins Bett nahm. Vielleicht von einem Nachmittag, an dem auf dem Wohnzimmerboden ein ganzer Bauernhof entstand samt Heuboden, Matschkuhle und Picknick auf dem Teppich.
Die stille Kraft der Fantasie
Solche Figuren machen nichts von allein. Sie fordern keine Aktion oder spielen keine Musik ab, sondern warten. Darauf, dass etwas mit ihnen geschieht und jemand sie aufnimmt, ihnen Leben einhaucht mit Stimme, Bewegung, Fantasie.
Wenn Kinder mit solchen Dingen spielen, verändert sich etwas. Das Tempo wird langsamer, der Ton leiser, die Aufmerksamkeit tiefer. Nicht, weil man ihnen sagt, sie sollen sich Zeit lassen, sondern weil es gar nicht anders geht.
Ein Holzpferd reagiert nicht, aber wird zum Freund, zum Tröster, zum Helden. Eine kleine Holzfigur wird zur Königin, zur Reisenden, zur Träumerin. Und all das entsteht nicht aus Technik, sondern aus Vorstellungskraft.
Was Du als Mutter daraus mitnehmen kannst
Vielleicht ist es gerade das, was uns Müttern guttun kann: zu sehen, dass nicht alles inszeniert oder perfekt sein muss, damit es Bedeutung bekommt. Dass Spiel nicht durch Reize entsteht, sondern durch innere Räume. Dass weniger oft wirklich mehr ist und dass Kinder nicht ständig Neues brauchen, sondern Vertrautes, das sich wandeln darf.
Die kleinen Figuren erinnern daran, dass Zeit und Aufmerksamkeit nicht dasselbe sind wie Beschäftigung. Sie fordern nichts. Sie funktionieren immer, weil sie nicht funktionieren müssen. Und sie zeigen, dass nicht jeder Moment laut sein muss, um wichtig zu sein.
Vielleicht geht es gar nicht darum, immer für alles zu sorgen, alles bereitzustellen, zu optimieren, sondern darum, Raum offenzulassen und das Spiel sich entfalten zu lassen. Ohne Ziel, ohne Bewertung, nur da sein, beobachten und manchmal einfach mitspielen. So entsteht Leichtigkeit. Nicht im Außen, sondern im Inneren.